Der Philosoph Nicolai Hartmann
Nicolai Hartmann ist einer der bedeutendsten deutschsprachigen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Während diese Bedeutung zu Lebzeiten fraglos erschien, ist er in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Vergessenheit geraten. Eine jüngere, vor allem international ausgerichtete Rezeption seines Werkes deutet auf eine Neubewertung seiner Stellung in der neueren Philosophiegeschichte hin.
Was Hartmann auszeichnet, das ist sein Bemühen um eine umfassende philosophische Sachforschung, in der die neu rekonstruierte philosophische Tradition mit den modernen (Natur- und Geistes-)Wissenschaften und dem Alltagsbewusstsein zusammengeführt werden soll. Hartmann hat als Leitidee den Begriff einer modernen „systematischen Philosophie“ geprägt – im Gegensatz zu den Systemphilosophien des 19. Jahrhunderts und den Weltanschauungslehren des 20. Jahrhunderts.
Hartmann wurde 1882 in Riga geboren, studierte zuerst Medizin in Dorpat (1902), dann ab 1903 für zwei Jahre klassische Philologie und Philosophie in Sankt Petersburg. Im Jahr 1905 wechselte er an die Universität Marburg und widmete sich bei den Vertretern des Neukantianismus, Hermann Cohen und Paul Natorp, hauptsächlich dem Studium der Philosophie, das er 1907 mit einer Promotion abschloss. Nach der Habilitation 1909 lehrte er – mit kriegsbedingter Unterbrechung – als Privatdozent für Philosophie in Marburg, wo er zuerst 1920 außerordentlicher, dann 1922 als Nachfolger Natorps ordentlicher Professor für Philosophie wurde. 1925 ging Hartmann nach Köln, wo er in unmittelbarem Kontakt mit Max Scheler stand. 1931 wurde er, nachdem Heidegger das Angebot ausgeschlagen hatte, an die Berliner Universität gerufen. Hartmann hat die deutsche Universitätsphilosophie in den 30er und 40er Jahren geprägt, ohne sie in die Abgründe ideologischer Verengung zu führen. Nach Kriegsende lehrte Hartmann bis zu seinem Tod im Jahr 1950 in Göttingen. Sein Einfluss auf die deutsche Philosophie der jungen Bundesrepublik ist beachtlich, aber noch nicht erforscht.
An der Bergischen Universität Wuppertal wurde – in Kooperation mit der Technischen Universität Dresden (Prof. Dr. Joachim Fischer) von 2016 bis 2019 ein Forschungs- und Editionsprojekt zu den sogenannten Cirkel-Protokollen, die sich im Nachlass Hartmanns (Literaturarchiv Marbach) befinden, durchgeführt. Das Forschungsvorhaben wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Die Namen Cirkel-Protokoll oder Disputierkreis stehen für eine Gesprächsrunde, die Nicolai Hartmann in den Jahren 1920 bis 1950 an seinen jeweiligen akademischen Standorten installiert hat. Bei dem umfangreichen Textkorpus handelt es sich um ein bedeutendes philosophie- und zeitgeschichtliches Dokument. Hartmann hat dreißig Jahre lang in seiner Marburger, Kölner, Berliner und Göttinger Zeit mit einem wechselnden Kreis von persönlich eingeladenen Studentinnen und Studenten sowie Kollegen zu unterschiedlichen philosophischen Themen und Problemen eine dialogische Form des Gesprächs kultiviert – und alle Sitzungen protokollieren lassen. Aus diesem umfangreichen Material wird im Herbst 2020 unter dem Titel Nicolai Hartmanns Dialoge 1920-1950 im Verlag De Gruyter eine kommentierte Edition von ausgewählten Texten publiziert werden. Das gesamte Material wird im Jahr 2021 in Form einer open access, diesmal auf der website des Verlages, einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Konferenz zum Werk Nicolai Hartmanns
Im Jahr 2011 hat an der Bergischen Universität Wuppertal eine internationale Konferenz unter dem Titel Nicolai Hartmann – von der Systemphilosophie zur systematischen Philosophie stattgefunden Poster + Flyer
Publikationen der Nicolai Hartmann Forschung an der Bergischen Universität Wuppertal
Nicolai Hartmanns Dialoge 1920–1950. Die „Cirkelprotokolle“