Das Klima der Philosophie: Ökologische Ideengeschichte als Herausforderung
 

Auftaktworkshop in Gotha am 30.6.2023

Organisiert von Martin Mulsow (Erfurt/Gotha) und Melanie Sehgal (Wuppertal)
 

Welche Konsequenzen hat die Klimakrise für die Geisteswissenschaften, insbesondere für die Philosophie und die Ideengeschichte? Lässt sich die ohnehin schon problematische Geschichte der Aufklärung noch als Erfolgsgeschichte erzählen, wenn man weiß, dass zugleich die Grundlagen des Zeitalters der Verbrennung fossiler Energien gelegt wurden, das in naher Zukunft den Planeten Erde an die Grenzen seiner Bewohnbarkeit kommen lassen wird? Wie konnte es dazu kommen, dass die Philosophie der Moderne Ideen wie Fortschritt und Freiheit gänzlich unabhängig von den materiellen Gegebenheiten, in denen diese Ideen wirksam werden sollten, konzipiert hat? Dipesh Chakrabarty hat gezeigt, dass die hermeneutischen Grundlagen der Geisteswissenschaften tangiert sind, wenn wir uns selbst den Zukunftshorizont abschneiden. Pierre Charbonnier hält eine ökologisch sensibilisierte Neuerzählung der Ideengeschichte für nötig, bei der offengelegt wird, inwieweit die „Freiheit“ des Liberalismus auf dem durch fossile Energien erzeugten Überfluss beruht. Isabelle Stengers spricht vom „Eindringen Gaias“, das die politischen wie philosophischen Horizonte der Moderne grundsätzlich verschiebt. Daran anschließend braucht es Bruno Latour zufolge sogar eine neue Kosmologie, um sich auf der durch ein neues Klimaregime geprägten Erde neu zu orientieren.  

Der Workshop versteht sich als Beginn einer längerfristigen Beschäftigung mit der Notwendigkeit einer Neujustierung von Philosophie und Ideengeschichte im Zeichen der planetaren Krise. Ziel ist einerseits eine historisch saturierte Reflexion der eigenen philosophischen und ideengeschichtlichen Praxis sowie andererseits eine Auslotung möglicher Aufgaben und Konturen für geisteswissenschaftliches Arbeiten im neuen Klimaregime. So geht es einerseits darum, die impliziten Voraussetzungen bezüglich der materiellen und umweltlichen Bedingungen menschlichen Lebens herauszuarbeiten, die das Denken der Moderne ausgebildet hat und den Beitrag zu konturieren, den philosophische Ideen wie Natur, Gesellschaft oder Fortschritt in der Entstehung der gegenwärtigen Krise gespielt haben. Dabei gilt es andererseits mit zu reflektieren, welche dieser Voraussetzungen bis heute in unseren eigenen Methoden wirksam geblieben sind. In anderen Worten: Was ist das Klima der Philosophie?

10.00 Uhr
Einführung
Melanie Sehgal (Wuppertal)

10.15 Uhr
Konsequenzen der Klimakrise: Aufklärung, Anthropozän und der neue Anthropomorphismus
Martin Mulsow (Erfurt/Gotha)

11.15 - 11.45 Uhr Kaffeepause

11.45 Uhr
Umweltmalthusianismus und modernes Bevölkerungsdenken
Marius Bickhardt (Berlin)

12.45 - 14.00 Uhr Mittagspause

14.00 Uhr
Zur ökologischen Sensibilisierung der Ideengeschichte am Beispiel der Querelle um den Luxus im 18. Jahrhundert
Dirk Schuck (Erfurt/Gotha)

15.00 Uhr
Revision und Recycling. Philosophiegeschichte im Anthropozän
Hanna Hamel (Berlin)

16.00 - 16.15 Uhr Kaffeepause

16.15 Uhr
William James im Anthropozän lesen
Melanie Sehgal (Wuppertal)

17.15 Uhr
Gemeinsame Abschlußdiskussion

~ 18:00 Uhr
Ende des Workshops

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